So ungefähr stellt sich der Laie Fusion vor: Brachiale Klanggewitter kreuzen spärlich coole Trompetenriffs, die unendlichen Möglichkeiten digitaler Aufnahmesysteme konkurrieren mit der Spontanität des First Take. Aber es überzeugt. Weniger wegen der vorhersehbaren Rhythmuskonstruktionen der "King Crimson"-Donnergötter Bruford und Levin, die den schweren Kreuzer unverblümter denn je auf Rockkurs zu halten versuchen. Vielmehr sind es Chris Botti und David Torn, die auf stürmischer See für die wirklich spannenden Momente sorgen und außerdem eine höchst feine Jazznote beisteuern. Manchmal schmeckt Bottis gepreßte Trompete zwar ein wenig nach dem späten "Tutu"-Miles, und Torns harsche Gitarrenloops besitzen das nostalgisch-verblaßte Aroma der frühen Mahavishnu-Ära. Doch die dahinter entstehenden dunklen Soundgebirge, die zerklüfteten modalen Flächen, die fast körperlich fühlbaren Eingriffe ins Bewußtsein des Hörers sorgen bei "B.L.U.E." für jenes markige Profil, das der dickflüssigen, unverdaulichen Jazzrock-Pampe gemeinhein fehlt.
© Jazz thing - Reinhard Köchl |