David Bowie, jahrzehntelang Pop-Trendsetter, hat inzwischen vor allem einen Narren an der neuen Technologie Internet gefressen. Ob der cleveren Vermarktungsstrategien in eigener Sache fragt man sich, wann der Engländer eigentlich noch Zeit und Muse für neue Songs findet? Die aktuelle CD Reality bringt also nicht viel Neues, wenn auch gut gemacht Bewährtes. Im Kielwasser von The Rise And Fall Of Ziggy Stardust: 30th Anniversary und Heathen hat er mit raffiniertem Kalkül und Ziggy-Produzent Tony Visconti eine Neuauflage aus diesen und anderen Alben eingespielt: die 60er-Jahre-Reprise "Never Get Old" als Motto unserer Zeit, Glamrock-Gitarren à la "The Young Dudes" mit der nötigen Theatralik auf dem lässigen Rocker "New Killer Star", und Ziggy-Recycling mit Orchester für "Try Some, By Some". Fast ärgerlich profan die Einsprengsel spanischer Gitarre bei "Pablo Picasso", wäre da nicht die atonale Kontrapunkt-Kakophonie. Die schlägt Bögen zu den elektronischen "Heroes"-Zeiten, mal zerrig, stampfig auf "Looking For Water", mal dissonant und mysteriös bei "Shell Drive The Big Car", und bei "Fall Dog Bombs The Moon" ersetzt eine E-Gitarre die Elektronikspur. Neben zwei elegisch-sanften Pop-Liedchen und einem verblassten "Disco King" wird auf dem Titelstück freejazzig und endlos dahin improvisiert, so etwas kann Joe Jackson eindeutig besser. Fazit: Bowie, das Chamäleon, ist halt auch als Retrotrend-Spurensammler noch souveräner und geschickter als seine Epigonen. --Ingeborg Schober |