PRO Die Kritik an Depeche Modes 2001er Album Exciter war begründet: Alten Fans bot es nicht genug Dance-Nummern, und die Klangexperimente des Björk-Produzenten Mark Bell hatten mit den bewährten Industrial-Elementen nichts mehr zu tun, wirkten kraftlos und störend. Glücklicherweise sind echte Fans nicht nachtragend. Dazu haben sie auch keinen Grund, bedeutet Playing the Angel doch die Rückkehr zu den düsteren Klängen, die die Band so grandios beherrscht. Die erste Single "Precious" ist ein emotionales, typisch melancholisches Meisterwerk, garniert mit verzerrten Sounds, und steht auf einer Stufe mit "Personal Jesus". Ebenbürtig sind auch "Suffer Well", das großartige, gradlinige und uneingeschränkt tanzbare "Lillian", "I Want It All", dessen dunkle Beats und atmosphärische Geräusche an die gute alte Industrial-Zeit erinnern, sowie "John the Revelator", ein genial simples Synthi-Pop-Stück. Wer solche Songs hört, möchte die Band dazu beglückwünschen, dass sie zu ihren Wurzeln zurückgefunden hat und über ihre zahllosen Nachahmer triumphiert. Leider ist das Album aber nicht makellos, denn zwei Tracks sind echte Schönheitsfehler: Martin Gore ist ein brillanter Texter und Songschreiber, doch sobald David Gahan das Mikro aus der Hand gibt, regiert die große Pose. "Macrovision" wird manchen begeistern, doch lässt sich darüber streiten, ob solche Theatralik auf eine Platte von Depeche Mode gehört. Dasselbe gilt für "Damaged People", eine fast musicalhafte Spielerei. Die beiden Ausfälle können den Gesamteindruck jedoch nicht zerstören. Dieses Album, mit dem die Band zu alter Stärke aufläuft, dürfte nur die wenigsten enttäuschen. -- Tammy La Gorce CONTRA Wärmer, organischer und weniger digital sei das neue Album im Vergleich zum Vorgänger Exciter hatte Andy Fletcher im Vorfeld angekündigt. Doch Sänger David Gahan konnte die Fans beruhigen: It's about pain, pain and pain. Keine neuen Themen also im Depeche Mode-Universum. Leider auch keine besonders neuen Töne. Nach einem Hallo wach-Einstieg, der ein bißchen nach Feueralarm und Zahnarztbesuch klingt (und typischerweise A pain that Im used to betitelt ist) plätschert, pluckert und plinkert das so vor sich hin. Wärmer? Organischer? Weniger digital vielleicht. Das Ganze wirkt wie ein Medley, zusammengestellt aus dem Bewährtesten aus 25 Jahren Bandgeschichte. Ein bisschen Synthi-Pop, ein bisschen Industrial. Das ist zwar stellenweise ganz nett (wie in Lilian), hinterläßt insgesamt aber ein eher schales Gefühl. Weil es einfach zu routiniert und, mit Verlaub: schlecht produziert klingt in seiner bemühten Rauheit. Depeche Modes Weltschmerz, Ausgabe 2005, hat fast schon etwas Lustloses. Darüber tröstet auch die Single Precious nicht hinweg, ein schöner, trauriger Popsong, der aber leider nicht repräsentativ für das Album ist. Und auch der Umstand, dass David Gahan nun selber unter die Songwriter gegangen ist (Suffer Well, I Want It All, Nothings Impossible), hilft dem Album nicht wirklich auf die Sprünge. Fazit: Wer Depeche Mode nicht kennt, ist mit diesem Album immer noch besser bedient als mit manch anderem Müll, der bei MTV und Viva auf Dauerrotation ist. Aber für eine Band, die Platten für die Ewigkeit gemacht hat wie Songs of Faith and Devotion oder Violator ist das einfach zu wenig. Schade. -- Axel Henrici |