Die "Unplugged" - Serie, die MTV in den 90er Jahren im Programm hatte, war eine extrem gute Erfindung und ein Prüfstein für jeden Musiker, der dort auftrat. Hier zeigte sich, wessen Songs wirklich was taugten und wer auch jenseits von Showeffekten und Gitarrengewitter bestehen konnte. Einige Stars gaben bei "Unplugged" eine recht jämmerliche Figur ab, die erfahrenen Haudegen vom Schlage eines Neil Young, Eric Clapton und eben Dylan stützten sich auf ihr großes Repertoire und lieferten solide bis ausgezeichnete Auftritte, die Jugendidole von Nirvana bewiesen den Zweiflern ihr musikalisches Genie und sorgten für den absoluten Höhepunkt der Serie. Dylan verläßt sich hier fast völlig auf sein schier unerschöpfliches Songmaterial und spielt seine immense Erfahrung voll aus. Immerhin hat der Meister einen wesentlichen Teil seiner Karriere völlig allein und ohne elektische Hilfsmittel bestritten. Bei "Unplugged" gibt es jedoch keinen gemütlichen Folk - Abend für junggebliebene Alt - 68er. Dylan hat eine ausgezeichnete Band im Rücken und spielt sich durch ein großartiges Set seiner besten Songs, hat sein Material voll im Griff und variiert es einmal mehr in der ihm eigenen Weise. Auch greift er hier auf einige Songs zurück, die man auf seinen anderen Live - Aufnahmen selten bis gar nicht und kaum in dieser Qualität zu hören bekommt. His Bobness wirkt auf dieser CD ungemein motiviert und inspiriert, spielt Klassiker wie "Tombstone Blues", "The Times They Are A - Changin'" oder "Desolation Row", als hätte er sie gerade erst geschrieben und bringt auch Rariäten wie "John Brown" zu Gehör. Größtenteils verläßt er sich auf die klassischen Songs aus den 60er Jahren, Ausnahmen sind der neue Song "Dignity", ein echtes Dylan Original, bei dem einmal mehr gerätselt werden darf, was der Meister meinen könnte, und die wunderschöne Ballade "Shooting Star". "Rainy Day Women" bekommt, mal wieder einen neuen Text, "All Along The Watchtower" einen neuen musikalischen Anstrich jenseits des bewährten Arrangements von Jimi Hendrix, das Meisterwerk "Like A Rolling Stone" erstrahlt in neuem Glanz und Dylan legt sich als Sänger ins Zeug, als gäbe es kein morgen. Zum Wiederentdecken gibt es noch "Love Minus Zero/No Limit", ebenfalls mit schönem neuen Arrangement ohne kitschige Streicher und die alte Protesthymne "With God On Our Side". Einziger Wermutstropfen ist hier, daß man bei der Plattenfirma offenbar besonders intensive Atmosphäre erzeugen wollte, also zog man die Begeisterungsausbrüche des Publikums etwas in die Länge, bei "Knockin' On Heaven's Door" läuft, warum auch immer, eine ziemlich nervige Applaus - Dauerschleife unter dem Song weiter. Das wäre zwar nicht nötig gewesen, stört aber nur wenig. Bob Dylan zeigt sich auf diesem Album wieder als Herr seiner selbst und seiner Songs. Es ist eines seiner besten Live - Dokumente und für jeden Fan und jeden, der es noch werden will, absolut empfehlenswert. |