ID 1016
Künstler Cash, Johnny
Jahr 1968
Medium Compact Disc
Format Live
Herausgeber
Autor
Gattung
Titel
Titel / Künstler Länge
01 Folsom Prison Blues
02 Busted
03 Dark As The Dungeon
04 I Still Miss Someone
05 Cocaine Blues
06 25 Minutes To Go
07 Orange Blossom Special
08 Long Black Veil, The
09 Send A Picture Of Mother
10 Wall, The
11 Dirty Old Egg-Suckin' Dog
12 Flushed From The Bathroom Of Your Heart
13 Joe Bean
14 Jackson
15 Give My Love To Rose
16 I Got Stripes
17 Legend Of John Henry's Hammer, The
18 Green, Green Grass Of Home
19 Greystone Chapel
Privat
Bewertung 3 stars
Kommentare

"I shot a man in Reno just to watch him die" -- diese Zeile im Hochsicherheitsknast zu bringen, das muss sich einer erstmal trauen -- und zwar ohne sich lächerlich zu machen, oder gelyncht zu werden, oder einen Aufstand auszulösen, oder alles zusammen.
Johnny Cash konnte das. Das und noch mehr -- "At Folsom Prison" gehört, wie auch "At San Quentin" ein Jahr danach, zum Besten, was jemals im C&W-Genre gemacht wurde, und es geht weit, weit, weit über die Cowboymusik-Schublade hinaus; mehr als einen Track würde man, wenn man's denn unbedingt verschubladen wollte, sowieso eher in die Gospel-/Blues-Schublade stecken, und auch Folk und Rockabilly sind viel präsenter als die "reine Lehre" des Country, gegen die Cash sowieso mit jedem Takt verstößt. Man hört das gleich beim ersten Track: Einer von Cashs ersten Hits, "Folsom Prison Blues", ist ein reinrassiger Blues, der genauso gut von Leadbelly oder Muddy Waters stammen könnte. Und mit welchem Song hätte er sonst dieses Konzert einleiten sollen?
Johnny Cash mit ausgesuchter Begleitband (Wer sonst hatte jemals die Ehre, einen Carl Perkins als Begleitmusiker dabeizuhaben?) beim Live-Auftritt vor Strafgefangenen also. Der Funke sprang gleich beim "Hello, I'm Johnny Cash" über, das spürt man. Man hat das tobende Publikum förmlich vor Augen. Ich kenne viele exzellente Live-Alben, aber gegen diese Wahnsinns-Atmosphäre anstinken kann keines davon. Cash kommt nicht als mildtätiger Onkel, nassforscher Möchtegern-Wohltäter oder auf Kumpel machender Bekehrungsprediger: Von der ersten Sekunde an steht er auf Augenhöhe mit seinem Publikum. Plaudereien, schlagfertige Bemerkungen, sarkastische Kommentare, fiese Witze: alles kann man hören, zwischen den Songs und auch mittendrin, nichts davon ist aufgesetzt oder pseudo-cool, sondern echt. Das herrliche Geplänkel, das mit Cashs Bitte "Can I have a glass of water?" seinen Anfang nimmt, steht stellvertretend für viele andere.
Die Augenhöhe macht es also. Und deswegen steht die eingangs zitierte Zeile aus "Folsom Prison Blues" auch nicht einsam und verlassen in diesem Konzert: Wer anders als Johnny Cash hätte es hier wagen dürfen, das in pechschwarzen Humor getränkte "25 Minutes to Go" mit abschließendem lautmalerischem Am-Galgen-Baumeln vorzutragen? -- Rhetorische Frage; auch das hätte kein anderer gewagt, wagen dürfen. Aber bei Cash lacht das Publikum genau an den allerschwärzesten Stellen. Ähnlich "Joe Bean", die schwarzhumorigste bittere Anklage, die man sich vorstellen kann. "They hanged this son of a bitch anyway"... und das Publikum kapiert, wie's gemeint ist. Cash als Magier.
Soviel also zur unwiederholbar intensiven Atmosphäre dieses Albums. Dabei ist das Ganze auch musikalisch erste Sahne, insbesondere in der nun wiederhergestellten vollständigen Fassung. Ein Glanzlicht ist sicher "Orange Blossom Special", die ins Musikalische übersetzte Fahrt einer Dampflok, unter heldenhaftem Einsatz einer Mundharmonika (Cashs Kommentar ist schon wieder unschlagbar). Eine bessere Version davon gibt's nicht, kann's nicht geben. Oder nehmen wir "The Long Black Veil" -- Cash singt diesen Traditional, nur sparsam von seiner Akustik-Gitarre begleitet, dermaßen eindringlich, dass man schlagartig alle anderen jemals gehörten Versionen vergisst; das Ganze ist unfassbar perfekt, nimmt sogar die "American Recordings" vorweg. Aber das i-Tüpfelchen auf dem Ganzen ist nicht einmal der musikalische Instinkt, der Cash in dieses Stück förmlich hineinkriechen lässt, sondern, dass er an der allerergreifendsten Stelle anfängt zu kichern. Der Bann ist gebrochen. Allein wegen dieser Szene muss man ihn ins Herz schließen. Und nicht nur hier nimmt er sich selber auf die Schippe.
Was die einzelnen Songs angeht: Neben weniger Bekanntem und fast Unbekanntem kriegt man hier natürlich auch die Live-Versionen der Klassiker auf die Ohren, neben den bereits erwähnten auch "I Walk the Line" über "Jackson". Letzteres natürlich als Duett mit June Carter, und noch fetziger als von der Studio-Version bekannt. Die beiden verstehen sich, das hört man.
Ich könnte nun jeden der 19 Tracks begeistert vorstellen, jeder hätte es verdient, aber stattdessen empfehle ich, diese CD am Stück zu hören. Und vorher unbedingt sämtliche Telefone auszustöpseln und die Türklingel abzustellen.

Auch Besitzern der alten LP kann man den Kauf der CD nur empfehlen! Was damals weggelassen wurde, war keineswegs schwächer als das veröffentlichte Material. Dazu das Booklet -- es enthält neben Cashs faksimilierten handschriftlichen Überlegungen zu diesem Konzert noch weitere Rückblicke und Stellungnahmen von 2000, anlässlich der ungekürzten Wiederauflage. Auch wenn man's ohnehin schon geahnt hat, so liest man hier schwarz auf weiß, wieviel ihm dieses Konzert bedeutet hatte. Cashs Denkmal zu Lebzeiten, Teil 1.