ID 1039
Künstler Reed, Lou
Jahr 2000
Medium Compact Disc
Format
Herausgeber Warner Bros.
Autor
Gattung
Titel
Titel / Künstler Länge
01 Paranoia Key of E / Lou Reed
02 Mystic Child / Lou Reed
03 Mad / Lou Reed
04 Ecstasy / Lou Reed
05 Modern Dance / Lou Reed
06 Tatters / Lou Reed
07 Future Farmers of America / Lou Reed
08 Turning Time Around / Lou Reed
09 White Prism / Lou Reed
10 Rock Minuet / Lou Reed
11 Baton Rouge / Lou Reed
12 Like a Possum / Lou Reed
13 Rouge / Lou Reed
14 Big Sky / Lou Reed
Privat
Kommentare

Mit der Weisheit eines Mannes, dessen Geburtsurkunde ihn bald jenen Menschen zuweist, die sich auf ihre Rentenerlöse freuen dürfen, nähert sich New Yorks lyrischster Zyniker dem Rock&Roll. Jenem Rock&Roll, dem nur noch Romantiker und Stehengebliebene die jugendkulturelle Aufbruchsenergie zuschreiben, die Lou Reed vier Jahrzehnte vor Erscheinen dieses Albums mit einem Ensemble namens Velvet Underground in ungehört brutale Gitarrensounds kanalisierte.

Heute aber setzt Lou Reed den Lärm und die Kraft des Rock&Roll nicht mehr als Waffe im gesellschaftlich-subversiven Kampf ein, sondern als genuine Kunstform, als Trägersubstanz für seine abgewrackte, urbane Minimalismus-Poesie. Er hat die 90er Jahre genutzt, um sich den letzten Schliff zu geben als Kommentator des brutal-banalen, anonym-absurden und vom täglichen Zivilisationswahnsinn gezeichneten Großstadtlebens. Daher sind Dämonen und Obsessionen, Paranoia und sexuelle Abseitigkeiten auch das zentrale Thema der Songs auf Ecstasy. Vierzehn Songs, mit denen Reed das Spektrum seines Rock&Roll auslotet: Sei es mit dem straighten "Future Farmers Of America", sei es mit dem vor lauter stilisierter Enerviertheit beinah auseinander brechenden "Mad".

Während seine Lebensgefährtin Laurie Anderson zwei Tracks mit ihrer Geige veredelt und Lou die Balladen "Tatters" und "Turning Time Around" mit all dem Blues spielt, den ein Stoiker zu entwickeln im Stande ist, türmt sich der 18-minütige Song "Like A Possum" zu einem Klangungetüm auf. Lou Reed singt dazu, dass sein Schlafzimmer ein weiblicher Zoo sei -- schlimmer als der von Clinton zu dessen wüstester Zeit. Oder er versetzt sich in die Rolle des betrogenen Betrügers, der gerne seine eigene Lüge mit der Lüge des Gegenübers entschuldigen möchte und doch weiß, dass er selbst das Arschloch ist. Die alte, abgetragene, von Papiermüll und Benzingestank umwehte Dialektik der Großstadt -- sie ist es, die Lou Reed mit Ecstasy so treffend eingefangen hat, wie schon auf dem Klassiker New York. Meilenweit von jeglicher Besinnlichkeit. --Björn Döring