Jung Paule sitzt mit der Gitarre versonnen unter einer Wäscheleine im Liverpooler Hinterhof. Das Plattencover zu Chaos And Creation In The Backyard, seinem ersten Studioalbum seit vier Jahren und dem 20sten Soloalbum seiner Karriere, sagt viel über die Musik auf diesem wunderschönen, rundum gelungen Album aus. Die dreizehn Songs plus einem Hidden Track versetzen einen schon mit den ersten Tönen von Fine Line, der ersten Single, in die besten Zeiten von McCartney mit Long and Winding Road und danach immer mehr in den früheren Beatles-Kosmos mit Reminiszenen an George Harrison auf dem entspannten Friends To Go, aber auch John Lennon. Die Produktion ist erstaunlich reduziert, nur aufs Wesentliche konzentriert, die meisten Instrumente wie Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboards, aber auch Blockflöte, Harmonium und Flügelhorn spielt Macca selbst. Viele Songs wie das rein akustische Jenny Wren, eine Figur aus einem Charles-Dickens-Roman, das konzertante, durch und durch altmodisch britische English Tea, Promise To You Girl, der Motown-Losrocker mit dem prägnanten Bass zum Piano und herrlichen Gesangs-Harmonien, oder This Never Happened Before besitzen die Klassiker-Qualitäten früherer Beatles-Kompositionen wie Norwegian Wood oder Eleanor Rigby - vertraut, aber thematisch neu. Und vom Gefühl her ein bisschen gesetzter, erwachsener, tiefer. Auf Fine Line macht McCartney sich Gedanken über den Scheideweg: mutig oder riskant? Das charmant-herzliche How Kind Of You beschäftigt sich mit der Ausdrucksweise bei einem Dankeschön, zu Too Much Rain inspirierte ihn der Charlie-Chaplin-Song Smile. Und natürlich gibt es Liebeslieder, allen voran das bezaubernde, im sanften Rumba-Rhythmus komponierte A Certain Softness, nur mit einen weiteren Gitarristen und Bongospieler eingespielt. Der Hidden Track ist eine kleine, wilde, freche Improvisation ganz im alten Liverpool-Stil. Dieses Album darf man nicht verstecken! -- Ingeborg Schober |