Nach zwölf Jahren Plattenpause traut sich Kate Bush wieder - und wie! Mit Aerial, einem Doppelalbum und der siebenten Studio-LP ihrer fast 30-jährigen Karriere, zeigt die eigensinnige Engländerin, warum sie als die erste Elfe der Popmusik ganze Legionen nachfolgender Sängerinnen bis auf den heutigen Tag nachhaltig beeinflusst hat. Als eine der ersten setzte sie fast nur auf das exzessive Experiment mit ihrer Stimme, überflügelte rockgeprägte Gesanghöhen und durchbrach konventionelle Songarrangements. Diese Freiheit gönnt sie sich nun gleich doppelt. Der Albumtitel Aerial ist programmatisch - schon immer stand ihr Gesang für das Luftige, Fliegende, Ätherische. Genau das bestimmt sowohl die erste CD mit sieben, eher konventionell komponierten Songs, als auch die zweite, die wieder einmal ein Songzyklus, oder besser gesagt, eine Art Konzeptalbum im besten Sinne des altmodischen Begriffs ist. Beide heben sich erstaunlich frisch von marktstrategischer Trendware ab, sind allenfalls im positiven Sinne altmodisch, weil authentisch und abenteuerlustig. Das gilt übrigens auch für alle Texte. Hier zeigt sich Kate Bush, der man musikalisch gesehen vor allem Romantisches unterschieben würde, erstaunlich findig. Der kraftvolle Rocker King Of The Mountain, zurecht die erste Single, handelt zwar von Elvis Presley, dem Ruhm und wie es da ganz oben aussieht, aber danach macht sie einen intellektuellen Exkurs durch Themen, die allenfalls David Byrne in eingängige Songs kleiden kann. Ob nun der traumhafte Trance über einen Zahlenfetischisten, der schon irreal-groteske Haushaltssong am Mollpiano Mrs. Bartolozzi mit dem endlos-inbrünstigen Refrain über die Waschmaschine, ihre Gedanken über das Unsichtbarwerden zu tockernden Basslinien auf How To Be Invisible oder ganz abgehoben, versponnen Joanni, eine literarische Hommage an Jean DArc - Kate Bush enthuscht der Pop- und Rockrealität auf ihre vielschichtige Weise. Für ihren Sohn Bertie hat sie folglich auch ein mittelalterliches Menuett mit Minnegesang komponiert, und Katastrophen wie die Zerstörung der Twin Towers in New York verschwinden bei ihr ganz sakral im A Coral Room. Nach CD 1, genannt A Sea Of Honey, gönnt sich Kate Bush also mit CD 2 A Sky Of Honey einen musikalischen Spaziergang durch einen Tag, auf dem sie alle wunderlichen bis wunderbaren Klangbilder zusammenfasst, die man seit Konzeptalben der Pink Floyd, Genesis und Peter Gabriel kennt. Natürlich auch mit den modernsten Mitteln der Elektronik. Hat man sich auf dieses Opus eingelassen, taucht man in ihre bildhaften Arrangements aus Originalgeräuschen, verfremdeten Stimmen, wechselnden Stimmungen und Stilen vom Flamenco bis zur schwebend-leichten Orientalik ein. Leichtfüßig bis hochdramatisch, exaltiert und transzendent. Wir haben gerne zwölf Jahre gewartet. -- Ingeborg Schober |